Ein ERPNext für Menschen

von Adrian Döring⠀|⠀
zuletzt aktualisiert am 20.09.2024⠀|⠀veröffentlicht am 20.09.2024

Im Laufe des Jahres 2024 haben wir gemeinsam mit “Die Tafel Österreich” (ehemals “Wiener Tafel”) die Einrichtung eines ERPNext-Systems realisiert. Wie die Zusammenarbeit zustande kam, welche Herausforderungen wir dabei bewältigt haben und welche Module wir für Die Tafel Österreich gebaut haben, können Sie in diesem Blogpost nachlesen.

Auf dem Foto ist ein Dashboard mit verschiedenen Diagrammtypen zu sehen. Die
gesammelten Daten werden gebündelt grafisch dargestellt, um Entwicklungen und
Ergebnisse kaufmännischer Fragestellungen schnell erkenntlich zu machen.
Die Tafel bei der Arbeit. Alle Bilder in dieser Story wurden
uns großzügig von “Die Tafel Österreich” zur Verfügung gestellt.

Bei der K&K Software AG richten wir ERP-Systeme für viele verschiedene Organisationsmodelle von Unternehmen über Vereine bis hin zu öffentlichen Einrichtungen ein. Dabei kommt uns die große Anpassbarkeit von ERPNext zugute. Dank der Modularität und Offenheit des Systems können wir Systeme bis ins Detail auf unterschiedliche Rahmenbedingungen anpassen. 

Als deswegen “Die Tafel Österreich” (ehemals “Wiener Tafel”) Anfang diesen Jahres mit dem Wunsch nach einem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen ERP-System auf uns zukam, konnten wir den teils einzigartigen Anforderungen der Tafel Rechnung tragen. In einer engen und guten Zusammenarbeit mit der Tafel konnten unsere Entwickler neue Module entwerfen sowie bestehende Funktionen anpassen oder erweitern, um am Ende ein rundes System auszuliefern. 

Ehe wir in die Details des Entwicklungsprozesses einsteigen und das System, das wir entwickelt haben, vorstellen, möchten wir uns bei der Tafel Österreich für die tolle und produktive Zusammenarbeit am System und die Mithilfe bei dieser Success Story mit Interviews und Bildmaterial bedanken. Aber wie kam es zu der Zusammenarbeit, über Landesgrenzen hinweg?

Wer ist Die Tafel Österreich?

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Österreich nur eine kleine Handvoll Tafeln, die jeweils einen größeren Bereich abdecken. Auch wenn jede Tafel etwas anders funktioniert, eint alle die Idee, Lebensmittel vor dem Verfall zu retten und in die Hände von Menschen in schwierigen Lebenslagen zu bringen.

Die Tafel Österreich arbeitet

mit über 100 Einrichtungen in

ganz Wien zusammen.

Das hat sich auch Die Tafel Österreich auf die Fahnen geschrieben. Dabei gibt sie die Lebensmittel nicht direkt aus, sondern arbeitet mit über 100 Einrichtungen in und um Wien zusammen, die sie beliefert. Koordiniert wird das ganze über ein Hauptquartier im Großmarkt Wien, das als Lager, Büro und Zentralstelle fungiert. Dort werden Lieferungen von über 270 Ehrenamtlichen zusammengestellt, verpackt und ausgefahren.

Bevor die Tafel sich für die Einrichtung eines ERP-Systems entschieden hatte, arbeitete sie mit Insellösungen. Einige davon wurden im Haus entwickelt, andere Prozesse basierten auf Microsoft Excel – keine Seltenheit, aber selten eine gute Idee. Wie viele andere Unternehmen ist auch Die Tafel Österreich langsam gewachsen und hat peu à peu neue Systeme aufeinandergeschichtet. Dadurch entwickelten sich Parallelstrukturen. Der Tafel wurde klar, dass diese Strukturen miteinander harmonisiert werden müssen.

Screenshot der Startseite von ERPNext.
Ein neues Hauptquartier vereinfachte das Leben der Tafel.

Wie die Tafel Österreich zu ERPNext und K&K kam

Ein solcher Umbau kostet natürlich Geld. Zum Glück finanzierte der “Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0” (kurz “Digifonds) der Arbeiterkammer Wien in einer ersten Runde die Planung und in einer zweiten Runde die Umsetzung eines zentralen Systems zur Verwaltung der Tafel. Um einen möglichst detaillierten Anforderungskatalog zu entwerfen und die Förderung effizent nutzen zu können, führte die Tafel Interviews, sammelte Wünsche, und entwarf verschiedene Alltagsszenarien. Schnell wurde klar, dass sie ein ganzheitliches, bedürfnisorientiertes und offenes System benötigt.

Gegen diesen Anforderungskatalog wurden verschiedene Systeme getestet. Dabei war man sich einig, dass man bei den Features keine Abstriche machen konnte. Möglichkeiten zur Spendenverwaltung, zum Logistik- und Lebensmittelmanagement, und zur Ehreamtsverwaltung mussten enthalten sein. Außerdem sollte das System open-source sein, um die nötige Kontrolle bei der Verwaltung zu garantieren. Bei einem ausführlichen Auswahlprozess inklusive einer Auswahlmatrix, die sehr an unseren Weg zu ERPNext erinnert, stellte sich heraus, dass es nicht viele ERP-Systeme gibt, die diese Anforderungen erfüllen.

Am Ende des Prozesses fiel die Wahl auf ERPNext. Gründe dafür gab es einige. Ausschlaggebend waren unter anderem die Datenhoheit und der Datenschutz, den ERPNext garantieren kann, die Offenheit des Systems, also der Umstand, dass es sich bei ERPNext um echtes open-source handelt, die Lizenzkostenfreiheit und die hohe Flexibilität, die uns auch bei der Einrichtung der Module zugute kam. Nachdem klar wurde, welches ERP die Anforderungen am besten erfüllen kann, musste noch ein passender Partner her.

Auch für diesen Schritt fertigte die Tafel einen Anforderungskatalog an. Der Partner sollte eine ausreichende Größe besitzen, um die Zusammenarbeit zukunftssicher gestalten zu können. Er sollte im besten Fall ebenfalls an offene Systeme glauben sowie Entwicklung und Hosting gleichermaßen übernehmen können, um ein möglichst nachhaltiges System realisieren zu können. Anschließend blieben nur noch wenige Unternehmen übrig, von denen die Wahl auf die K&K Software AG fiel. Vielen Dank für das Vertrauen!

Screenshot der Startseite von ERPNext.
Das Logo der “Digitalfonds Arbeit 4.0” der AK Wien,
aus dem das Projekt finanziert wurde.

Viele Anforderungen und kreative Lösungen

Organisatorisch kommt bei einer Tafel viel zusammen: Bedarfsmeldungen und Lagerstand müssen überwacht und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Routen wollen geplant sein, und auch die Organisation von Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen ist ab einer bestimmten Größe alles andere als trivial. Im Grunde funktioniert die Tafel wie ein kleines Unternehmen, was auch das Konzept unseres ERPNext-Systems mitgeformt hat.

Ein typisches Beispiel für eine solche Anpassung ist das Design unseres Userinterfaces für Einrichtungen, die Waren bei der Tafel anfordern möchten. Dafür haben wir ein Shoppingmodul aus ERPNext umgebaut; Einrichtungen können jetzt einfach ihren Tagesbedarf wie in einem Webshop zusammenklicken und so intuitiv an die Tafel übermitteln.

Die Tafel funktioniert

ein bisschen wie

ein kleines Unternehmen. Dieser Umstand bestimmte

unser ERPNext-Konzept.

Die ursprüngliche Idee sah vor, den Wert jedes Artikels dabei auf 0 € zu setzen. Damit sich der Vorgang aber nicht wie stark rabattiertes Shopping anfühlt, haben wir mit einer zusätzlichen Funktion die Preisanforderung für einen Artikel aus dem System entfernt, sodass keine Preise mehr auftauchen.

Unser Shop kann aber noch mehr. Zum Beispiel haben unsere Entwickler in Zusammenarbeit mit der Tafel ein Stammdatensystem entworfen, nach dem man Waren vorab filtern kann. Das Mindesthaltbarkeitsdatum spielt bei einem Unternehmen, das mit Nahrungsmitteln handelt, eine große Rolle. Auch dafür haben wir eine Funktion in ERPNext hinzugefügt; potentielle Partner können jetzt zum Beispiel automatisch informiert werden, wenn ein bestimmtes Produkt bald abläuft, um die Lebensmittelverwertung zu maximieren. Unser Shop bietet außerdem ein Abosystem für bestimmte Waren und eine eigene Kategorie zur Verwaltung von Leergut; zwei Anforderungen, die wir selbst entwickeln mussten.

Tourenplanung leicht gemacht

Die bestellten Lebensmittel müssen anschließend an die Einrichtungen gesendet werden. Die Zusammenstellung der Lieferungen und die Planung einer möglichst effizienten Tour gehören zu den Kernaufgaben der Mitarbeitenden der Tafel. Um ihnen diese Aufgabe zu erleichtern, haben wir ein eigenes Tourenplanungssystem entworfen.

Eine ungewöhnliche Herausforderung bestand darin, dass ERPNext von der Stange keine Funktion für Lieferfahrzeuge hat. Es gibt zwar einen Doctype namens “Vehicles”, der ist aber für Firmenwägen entworfen und kann das Be- und Abladen von Waren nicht abbilden. Wir haben deswegen ein eigenes Logistik- bzw. Lager-Doctype gebaut, das ein Fahrzeug als bewegliches Lager emuliert; inklusive möglichem Maximalgewicht und Einbindung in unser Tourensystem. Damit hatten wir alle Teile unseres Tourensystems zusammen: die Waren bzw. Artikel mitsamt Metadaten, die Bestellungen aus dem simulierten Shop sowie die Fahrzeuge.

Screenshot der Startseite von ERPNext.
Auch bei der Logistik haben wir einige ERPNext-Module für
“Die Tafel Österreich” angepasst.

Da jede Bestellung bereits mit einem „Kunden“ bzw. einer Einrichtung verknüpft ist, können Mitarbeinde der Tafel so einfach eine Tour zusammenklicken, weil ERPNext die verschiedenen Stops und ihre jeweiligen Bestellungen übersichtlich auflisten kann. Wird das Fahrzeug dabei dann doch mal zu schwer, warnt das System; auf diese Art kann jederzeit ungepackt werden.

Wie verwalte ich hunderte Ehrenamtliche?

Die fertigen Touren werden anschließend von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern ausgeführt. Natürlich machen die helfenden Hände der Tafel Österreich noch viel mehr: Ehrenamtliche besetzen Infostände, packen Waren ab, bilden sich in Schulungen weiter und haben noch viele weitere Aufgaben.

Wir haben für die

Ehrenamtlichen einen

eigenen Modulkomplex

zusammengebaut.

Um diese Aufgaben niederschwellig und ohne nötige aufwendige Schulungen in einem eigenen System verwalten zu können, haben wir für die Ehrenamtlichen einen eigenen Modulkomplex gebaut. In ihren Nutzerprofilen verwalten die Helferinnen und Helfer ihre Daten selbst. Die Ehrenamtlichen haben es dabei in der Hand, welche Daten öffentlich sein sollen und welche nicht einsehbar sind – Privatsphäre wird in diesem System groß geschrieben! Außerdem sind alle Ehrenamtlichen mit Qualifikationen ausgestattet. Darunter fallen Führerscheine, aber auch Schulungen für Nahrungsmittelhygiene und Infostände.

Diese Qualifikationen bestimmen die Tätigkeiten, die angezeigt werden, wenn sich die Ehrenamtlichen im Portal anmelden; auf diese Art bekommen sie eine übersichtliche Liste an offenen Aufgaben, für die sie sich eintragen können. Trägt sich ein Ehrenamtlicher wieder aus einer Aufgabe aus, bekommt die Tafel eine Meldung und kann sofort darauf reagieren. So entstand ein System, das Helferinnen und Helfer direkt dazu ermächtigt, sich selbst zu verwalten. Das System passt sich an die Nutzer an, nicht umgekehrt.

Eine sichere Landung

Bei aller Freude, die wir an der Entwicklung des Systems hatten, fiel das Projekt in eine Zeit der Veränderungen. Dank der tollen Zusammenarbeit mit der Tafel Österreich, die mit einem detaillierten Konzept und Anforderungskatalog zu uns gekommen ist, können wir das Projekt, das jetzt auf der Zielgeraden ist, zu einem guten Ende führen. Da alle Komponenten offen sind, kann dieses System ein Vorbild werden – für Tafeln in Österreich, aber auch in Deutschland.

Screenshot der Startseite von ERPNext.
Unser System ermächtigt ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, ihre
Daten und Einsätze selbst zu verwalten.

Bei der K&K Software AG haben wir wiederum viel darüber gelernt, wie man ein System baut, das die Menschen, die es benutzen, in den Mittelpunkt rückt. Dank einer kreativen Interpretation existierender ERPNext-Module konnten wir ein solides und rundes Produkt abliefern, das neben den beschriebenen Funktionen noch mit einigen anderen nützlichen  Details und Funktionen wie einem Kooperationssystem, fixen Touren, einem B2B- und B2C-System und einem übersichtlichen Logistikmodul aufwarten kann.

Wir freuen uns sehr über die erfolgreiche Zusammenarbeit und sagen nochmal herzlichen Dank an die Tafel Österreich! Wenn Sie auch Interesse an einem ERP-System haben, dann laden wir Sie ein, weitere Success-Stories zu lesen oder uns persönlich und unverbindlich zu kontaktieren. Die K&K Software AG kann auf über 20 Jahre Branchenerfahrung zurückblicken und verfügt neben Entwicklerteams auch über ein hauseigenes Systemhaus für das lokale und sichere Hosting Ihrer IT-Systeme.

Ein Beitrag von: Adrian Döring

Adrian Döring ist bei K&K Software für die Pflege der Blogs und für besondere Text- und Medienaufgaben zuständig. Er hat Germanistik und Anglistik studiert, einen Master in Literatur und Medien gemacht und lehrt und promoviert aktuell an der Universität Würzburg zu Subkulturen und neuen Medien. Mit K&K verbindet ihn eine Leidenschaft für IT, Open Source und kreative Aufgaben.

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